Kloster Chorin
Kloster Chorin |
Kloster Chorin Gesamtansicht
|
Lage |
Deutschland
Brandenburg |
Koordinaten: |
♁52° 54′ N, 13° 53′ OKoordinaten: 52° 53′ 34″ N, 13° 53′ 1″ O | | |
Ordnungsnummer
nach Janauschek |
661 |
Gründungsjahr |
1258 / 1266 |
Jahr der Auflösung/
Aufhebung |
1542 |
Mutterkloster |
Kloster Lehnin |
Primarabtei |
Kloster Morimond |
Das Kloster Chorin, eine ehemalige Zisterzienserabtei, befindet sich in der Nähe des Ortes Chorin etwa sechs Kilometer nördlich von Eberswalde im Brandenburger Landkreis Barnim. Das Kloster wurde 1258 von askanischen Markgrafen gegründet und 1542 säkularisiert.
Das Kloster hatte in der Zeit der Existenz der Abtei eine weitreichende
Bedeutung am Rand des Einflussbereichs der Askanier im Norden zur
Grenze der Slawen. Das Zisterzienserkloster Chorin gilt als typisches
Beispiel der Backsteingotik und ist heute Baudenkmal. Es ist Mitglied des Deutsch-Polnischen Klosternetzwerks und beliebter Veranstaltungsort mit überregionaler Anziehungskraft.
Etymologie
Reste des faulen Bruchs sind heute noch erkennbar
Der Name Chorin ist wahrscheinlich slawischen Ursprungs.[1] So wird der Name in der Stiftungsurkunde des Klosters Mariensee mehrfach und unterschiedlich genannt:
- villa Chorin – Dorf Chorin
- campus Chorin – Choriner Acker
- stagnis Corin majus et minus – großer und kleiner Chorinsee
- paludus Chorin – Choriner Sumpf
Chorin enthält das slawische Adjektiv „chory“, was „krank“ bedeutet
und in Verbindung mit dem Choriner See nicht als „kranker See“ sondern
„fischarmes Gewässer“ gedeutet wird. Heute heißt der See Amtssee und der
ehemalige Choriner Sumpf „fauler Bruch“. Dieser entstand, als die
Mönche mit Errichtung des Klosters das Wasser des Choriner Sees um ca.
1,75 m absenkten. Auf der Anhöhe östlich des Sumpfes wird die ehemalige
slawische Siedlung vermutet, die Chorin ihrem Namen gegeben hat. Von der
slawischen Siedlung sind einige Keramikreste bei Grabungen entdeckt
worden, von einer wahrscheinlich vorhandenen Begräbnisstätte fehlen
bisher Nachweise. Das askanische Dorf Chorin wurde jedoch nördlich des
Sees angelegt, über die Gründe der Verlegung des Dorfes ist nichts
überliefert.[1]
Im Mittelalter wandelte die Schreibweise des Namens mehrmals, so wurde auch „Koryn“, „Corin“ und „Coryn“ überliefert.
[1]
Vorgeschichte
Die slawischen Ursprünge
Blick über Oderberg; im Hintergrund die ehemals slawische Siedlung Barsdin
Um etwa 1200 siedelten Slawen vom Stamm der
Ukrani beim heutigen Chorin. Nach ihnen ist seit dem Mittelalter die sich nördlich anschließende Landschaft
Uckermark
benannt. Noch vor Mariensee wurde 1231 das Kloster Gottesstadt „Civitas
Dei“ im slawischen Ort Barsdin (heute Oderberg) gegründet. Dieses
Kloster war eine Stiftung des
Prämonstratenserordens
mit dem Mutterkloster Brandenburg an der Havel. Barsdin war der
östliche, slawische Teil der späteren Stadt Oderberg. Die Besiedlung der
Stadt begann zwischen 1208 und 1215 durch Slawen, die eine erste
Fürstenburg auf dem Albrechtsberg errichteten. Mit der Errichtung des
Klosters sollten die brandenburgischen Ansprüche an dieser Gegend
gefestigt werden. Die Stiftungsurkunde zeigt deutlich, dass das Kloster
der Aufnahme von Pilgern, Kranken und Flüchtigen dienen sollte. Deshalb
war dem Kloster ein Hospital zugestellt, welches wenige Jahre vorher
gegründet wurde. Der Ort war nach heutigem Erkenntnisstand noch lange
geteilt. Westlich des Flüsschens Behnitz befand sich das Kloster,
östlich das Dorf Barsdin, welches die Markgrafen Johann I. und Otto III.
1231 dem Kloster schenkten.
[2] „Das Hospital dagegen bestand noch bis 1372 in Barsdyn“[3],
somit existierte ein slawisches Dorf mindestens 150 Jahre unter
askanischem Besitz des Klosters Chorin weiter. Noch 1786 belegte der
Historiker
Friderich Ludewig Joseph Fischbach in seinen
Statistisch-topographischen Städte-Beschreibungen der Mark Brandenburg die Existenz von Überresten des Hospitals, heute gibt es keine archäologischen Funde mehr.
Das Kloster Civitas Dei existierte bis zum 2. September 1258, es
wurde wegen schlechter Führung aufgegeben. Über den genauen Standort
sind keine Überlieferungen bekannt. Das ehemalige Kloster mit seinem
Hospital ging in den Besitz von Mariensee über.
Die Gegend um altes und neues Dorf Chorin bot keine guten Bedingungen
für den Ackerbau, da am Rand der Endmoräne überwiegend Sandboden
anzutreffen ist und die Landschaft stark hügelig ist.
Für die Slawen
spielte der Fischfang eine große Rolle, deshalb siedelten sie direkt am
Ufer des Sees. Keramikfunde deuten darauf hin, dass die slawische
Siedlung noch bestand, als das askanische Dorf bereits gegründet war.
Die Slawen wurden erst später umgesiedelt und ihre alte Siedlung
geschlossen.
Standort Pehlitzwerder („Kloster Mariensee“)
Vom Klosterbau Mariensee sind nur noch wenige Mauerreste erhalten
Reste der Grundmauer der geplanten Klosterkirche
Das im
Spätmittelalter einflussreiche Kloster wurde 1258 auf einer ehemaligen Insel, der heutigen Halbinsel Pehlitzwerder, im
Parsteiner See gegründet. Es trug anfangs in Anlehnung an seine Schutzheilige den Namen
Mariensee und war eine
Filiation des 1180 von
Otto I. in der
Zauche begründeten
Klosters Lehnin.
Stifter des Klosters waren die Enkel Ottos I., die gemeinsam regierenden Markgrafen
Johann I. und
Otto III.. Hintergrund der Stiftung waren die Erbregelungen, die zur Aufteilung der
Mark Brandenburg in die
Johanneische und
Ottonische Linie führten. Da die traditionelle
askanische Grablege Kloster Lehnin bei der ottonischen Linie verblieb, war die Gründung eines neuen Klosters notwendig.
[4]
Über die Wahl der ungünstigen Insellage zur Errichtung des Klosters
gibt es heute nur Vermutungen, diese Entscheidung widersprach den damals
üblichen Gepflogenheiten einer Klostergründung. Das Vorhandensein einer
slawischen Burg auf dem Pehlitzwerder und der Ersatz dieser durch ein
askanisches Kloster wird als „politische Entscheidung“ vermutet, darüber
gibt es aber keine gesicherten Überlieferungen.
Da sich die Insellage für die wirtschaftlichen und
landwirtschaftlichen Ambitionen der Zisterzienser zunehmend als
hinderlich herausstellte und da sie zudem ein Ansteigen des
Wasserspiegels befürchteten, verlegten die Mönche das Kloster laut
Urkunde von 1273 noch vor seiner Fertigstellung um rund acht Kilometer
nach Südwesten an den ehemaligen Choriner See, den heutigen
Amtssee.
Der Beschluss zur Verlegung erfolgte noch unter Mitwirkung Johanns I.
in dessen Todesjahr 1266. Die Kirche Mariensee war soweit hergestellt,
dass der Stifter hier bestattet werden konnte. Nach 1273 wurde Johann I.
nach Chorin umgebettet. Neben weiteren Nachkommen Johanns wurden in
Chorin seine Nachfolger
Otto IV. (mit dem Pfeil) und der letzte bedeutende Askanier in der Mark
Brandenburg,
Waldemar (der Große), begraben.
[5]
Die Mauern des Erdgeschosses des Klosters Mariensee waren bis in die
60er Jahre des 20. Jahrhunderts erhalten geblieben. Sie wurden dann von
den Einwohnern von Brodowin zur Materialgewinnung abgetragen. Die heute
sichtbaren Mauerreste sind später auf dem erhalten gebliebenen Kern der
Fundamente aufgemauert worden.
Wie bei allen askanischen Klostergründungen spielten neben den
seelsorgerischen Aspekten auch bei Chorin wirtschaftspolitische und
machtpolitische Erwägungen eine wichtige Rolle. Denn westlich des
Klosters befand sich auf der Insel im Parsteiner See ein slawischer
Ringwall, den Johann I. und sein Bruder sehr wahrscheinlich als
Turmburg gegen die pommerschen Konkurrenten nutzten. Das Kloster sollte
Mittelpunkts- und Herrschaftsfunktionen übernehmen. „
Sowohl
die Gründung an sich als auch deren Lage in einem alten
Regional-Zentrum ‚quer‘ zu den Verkehrsrouten […] in besiedeltem
Landstrich sind landesherrlich-machtpolitisches Kalkül.“
[6]
Standort Chorin
Auf dem Gebiet der heutigen Klosterruine befand sich vorher ein
slawisches Dorf mit Befestigungsanlagen. Neueste Grabungen haben
ergeben, dass das Dorf niedergebrannt ist.
Wahrscheinlich handelte es
sich um das Dorf
Ragösen, an das heute noch der Bach
Ragöse
und einige lokale Bezeichnungen erinnern. Ob die Klostermühle das dicht
am Kloster befindliche große Mühlenbauwerk ist, welches schon vor den
Zisterziensern errichtet wurde oder eine Mühle wenige Kilometer
südwestlich, ist noch nicht ausreichend erforscht. Die bestehende Mühle,
der nahe
Amtssee, welcher damals noch Choriner See hieß sowie die Nähe zu den damals bedeutenden Städten
Niederfinow,
Angermünde und
Eberswalde
werden heute als Gründe für die Standortwahl genannt.
Zisterzienserklöster wurden damals bevorzugt im ländlichen Raum auf
ehemaligen slawischen Siedlungen angelegt. In den nahen Städten wurden
Handelsniederlassungen gegründet, die in
Angermünde ist gesichert überliefert.
Heute liegt die Ruine in der wald- und seenreichen Landschaft der
Schorfheide inmitten des
UNESCO-
Biosphärenreservats Schorfheide-
Chorin. Im Mittelalter gehörte das Waldgebiet mit den zahlreichen Oberflächengewässern zunächst zu
pommerschem Gebiet und wurde von
Slawen bewohnt. Im Zuge der hochmittelalterlichen Ostsiedlung gelang es nach
1230 unter die Herrschaft der
Askanier. Spuren der mittelalterlichen Besiedlung lassen sich noch in den Ortstrukturen ablesen.
Burgruinen, wie Grimnitz in
Joachimsthal, bezeugen die Herrschaft des Askanischen Hauses, die Klosterruine Chorin die Tätigkeit der
Zisterzienser.
Geschichte
Gründungsgeschichte
Gesamtansicht von Süden aus
Am 8. Februar 1258 erlaubten die Bischöfe Otto und Johann von
Brandenburg die Gründung des Klosters Mariensee, am 2. September des
gleichen Jahres beurkunden Johann I. und Otto III. die Stiftung des
Klosters. Am 8. September 1273 erfolgte die offizielle Verlegung nach
Chorin, die Bauarbeiten in Chorin begannen wahrscheinlich bereits 1266.
Der Pehlitzwerder mit den Fundamentresten der begonnenen 25,50 m breiten
Kirche wird 1935 zum Natur- und Bodendenkmal erklärt.
Da der
Ragöseabfluss
des Choriner Sees nicht genügend Wasser zum Betrieb der Klostermühlen
und zur Versorgung des Klosters zuführte, legten die Mönche noch im 13.
Jahrhundert den
Nettelgraben
vom Choriner See zum höher gelegenen und heute isolierten Weißen See,
der zur Bauzeit im 13. Jahrhundert eine Bucht des Parsteiner Sees
bildete, an. Der noch heute bestehende
Wassergraben zählt zu den frühesten Kunstgräben im heutigen Deutschland.
Im Generalkapitel des
Kloster Cîteaux, dem Ursprungskloster des Zisterzienserordens, wurde die Eigenwirtschaft der Zisterzienser festgelegt:
- „Die Mönche unseres Ordens müssen von ihrer Hände Arbeit, Ackerbau
und Viehzucht leben. Daher müssen sie zum eigenen Gebrauch besitzen
Gewässer, Wälder, Weinberge, Wiesen, Äcker (abseits von Siedlungen der
Weltleute) sowie Tiere … Zur Bewirtschaftung können sie nahe oder ferne
beim Kloster Höfe haben…“[7]
Durch Schenkung überließen die askanischen Markgrafen dem Kloster
Inseln im Parsteinsee, die Dörfer Pehlitz, Plawe, Brodowin, Chorin und
Hufen der Orte Parstein, Liepe, Serwest, Buchholz, Finow (heute
Niederfinow), Golzow und Britz mit allen dazugehörigen Seen, Fließen,
Äckern, Bergen, Wiesen und Weiden.
Einflussbereich des Klosters Chorin
Rekonstruktion des Stolper Turms (Fotomontage)
Das Kloster Chorin hatte einen für damalige Verhältnisse großen
Einflussbereich. Üblicherweise errichteten die Askanierfürsten ca. alle
fünf Kilometer ein Dorf, alle 20 bis 25 Kilometer wurde eine Stadt
gegründet. Die Kloster wiederum wurden fernab der Städte und meist auf
ehemaligen slawischen Befestigungsanlagen errichtet.
[8]
Chorin lag zwischen den damals bedeutenden Städten
Eberswalde (Stadtrecht 1254, vorher zwei Dörfer),
Niederfinow (als Burg Finow um 1220 gegründet),
Joachimsthal und
Oderberg sowie der Burg
Angermünde.
Diese relativ große Ausdehnung ist unter anderem dem Umzug des Klosters
von Mariensee nach Chorin geschuldet, außerdem war Chorin am Rand des
Einflussbereichs der Askanier und hatte so keine Konkurrenz aus den
eigenen Reihen im Norden und Osten. Äußerster Vorposten der Askanier war
dabei der
Stolper Turm, ein Burgfried nordöstlich der Stadt Angermünde.
Der Kernbesitz des Klosters Chorin reichte im Westen bis Joachimsthal und um den
Werbellinsee herum, im Süden bis Niederfinow mit seinem damals noch vorhandenen fischreichen Finow-Delta, im Osten bis über die Oder bei
Stolzenhagen
und im Norden bis Angermünde. Der Handelseinfluss reichte bis zu den
Städten Eberswalde, Hohenfinow, Oderberg, Lunow und Stolpe.
Die Architektur
Innenansicht Klosterkirche
am Hauptschiff der Klosterkirche sind unterschiedliche Baufortschritte
erkennbar, rechts östlich dunkler gotische Spitzbögen, links Rundbögen
schematische Darstellung des Baufortschritts; rot: erster Bauabschnitt; blau: zweiter Bauabschnitt
Zu den Bauverordnungen der Zisterzienser wurden Festlegungen
getroffen, die auch Auswirkungen auf den Bau von Chorin hatten. Um 1130
wurden Skulpturen, Malereien und Bilder verboten, gestattet waren nur
bemalte Altarkreuze aus Holz. Helle Glasfenster ohne Kreuze und
Malereien waren gestattet. 1157 wurden Glockentürme verboten, Glocken
durften höchstens 500 Pfund wiegen. Das Verbot von Türmen führte dazu,
dass in Wänden Wendeltreppen eingebaut wurden, um die Dächer erreichen
zu können.
Georg Dehio
bezeichnete die Choriner Klosterkirche 1906 als das „bedeutendste und
edelste Werk der Frühgotik im Gebiet des norddeutschen Ziegelbaus“.
Tatsächlich ist das sechs Kilometer nördlich von Eberswalde im
Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin
gelegene Zisterzienserkloster mit dem berühmten Westgiebel einer der
wenigen märkischen Bauten des Mittelalters, der nicht nur zu den
prominentesten Schöpfungen des Backsteingebiets, sondern zu einer der
Ikonen der deutschen Gotik schlechthin wurde.
Dessen ungeachtet ist der Baustil des Choriner Klosters kaum als
frühgotisch zu bezeichnen. Vielmehr handelt es sich um ein einheitlich
hochgotisches Gebäudeensemble, in dem die Architektur der
zisterziensischen Romanik allerdings noch nachwirkte. Die Klosterkirche
ist wie in Lehnin eine lang gestreckte dreischiffige Basilika mit
Querschiff. Anders als die Baumeister der mecklenburgischen
Zisterzienserkirchen (Doberan, Dargun) orientierten sich die Choriner
nicht am Modell der
Lübecker Marienkirche, sondern schöpften stattdessen aus der lokalen Bautradition und übersetzten die Bauform der Lehniner Basilika in die Gotik.
Dabei behielten sie nicht nur die Kreuzform des Grundrisses bei, sie
adaptierten strukturell sogar das gebundene System. Die
Mittelschiffjoche haben exakt die doppelte Breite der quadratischen
Seitenschiffjoche und zwei Mittelschiffjoche bzw. vier Seitenschiffjoche
haben entsprechend zusammen die Abmessungen des
Vierungsquadrats.
Die Formensprache ist hingegen die der hohen Gotik und der Ostabschluss
ist der von den gotischen Bettelordenskirchen übernommene Saalchor -
allerdings in der aufwendigeren Form als 7/12-Polygon. Überhaupt
orientierten sich die Erbauer der Kirche an der Architektur der
Franziskaner und Dominikaner, wenngleich wiederum das Baudekor eher
durch die größere zisterziensische Schmuckfreudigkeit gekennzeichnet
ist.
Zugleich hatte der Bau natürlich auch den Herrschaftsanspruch seiner
Auftraggeber widerzuspiegeln.
Sowohl das Chorpolygon, als vor allem die
Westfassade, wurden entsprechend repräsentativ gestaltet und
ausgeschmückt. Letztere ist zwar entsprechend der Zisterzienserregel
turmlos, mit ihrer aufwendigen Gliederung mit Treppentürmen,
Fialen,
krabbenbesetzten
Giebeln, Schmuckblenden, Strebepfeilern und den drei - von Lehnin
übernommenem - Spitzbogenfenstern, ist sie gleichwohl eine der am
reichsten gestalteten und die ausgewogen proportionierteste aller
backsteingotischen Kirchenfassaden. Die Seitenfronten zeigen ebenso wie
der Innenraum den Wandaufriss der Bettelordensgotik (Berlin, Erfurt).
Die statische Konstruktion ist unter den Seitenschiffpultdächern
verborgen - und tritt nach deren Verlust zum Kreuzgang hin offen zutage.
Die Wände sind nur durch schmale Dienste gegliedert. Die glatten
Wandflächen kontrastieren deutlich mit dem komplizierten Fenstermaßwerk,
den plastischen vegetabilen Pfeilerkapitellen, den Konsolen und den
Pfeilern.
Ansicht des Kellergewölbes
Die ursprüngliche Raumwirkung ist nach dem Verlust des
Kreuzrippengewölbes, der Empore, der Chorschranken, des Gestühls etc.
schwer zu ermessen. Bei den Pfeilerquerschnitten ist in Chorin ein
Stützenwechsel durchgeführt worden - ein romanisches Gestaltungselement,
das man in der märkischen Romanik vergebens sucht. Schlanke
Bündelpfeiler wechseln sich mit Quadratpfeilern ab.
Am Westende des
Langhauses befand sich eine Empore, die dem Herrschergeschlecht
vorbehalten war. Während die Westfassade als Solitär in der märkischen
Kulturlandschaft steht, hat der polygonale Saalchor - als dessen Vorbild
häufig die Zisterzienserkirche in
Schulpforta genannt wurde - die Entwicklung des märkischen Kirchenbaus nachhaltig beeinflusst.
Backstein mit ketzerischer Inschrift
Die Erbauer des Klosters haben an zahlreichen Stellen versteckte
Mitteilungen hinterlassen. So findet man im östlichen Kreuzgang Ziegel
mit eingeritzten Spielbrettern. Über einem Chorfenster war ursprünglich
ein Backstein eingearbeitet, deren Inschrift heute als ketzerisch
interpretiert wird:
-
- „Abel fieri no(n) valet / si malicia cayn no(n) excercet“
- „Abel kann nicht werden, wenn Kain nicht durch Böses / durch Bosheit prüft“
Teilweise vorhandene Wandmalereien sind nicht originalgetreue
Nachzeichnungen, bei denen offenbar viel Phantasie im Spiel war. Nach
heutiger Erkenntnis sind lediglich wenige Putzreste im nördlichen
Hauptschiff der Klosterkirche als original anzusehen.
Da es den Zisterziensern verboten war, auffälliges Schmuckwerk zu
errichten, wurde viel Mühe in aufwändige Friese und Konsolen investiert.
Sämtliche Kreuzgangkonsolen tragen unterschiedliche Motive, deren
Deutung neben geistlichen Motiven auch vegetabile und stereometrische
sowie Fabeltier-Motive aufweisen.
Aufhebung in der Reformationszeit
Obgleich die Äbte ihren Einfluss und Landbesitz bis zum späten 15.
Jahrhundert stetig mehren konnten, erfolgte bereits 1542 - nur drei
Jahre nach der Einführung der Reformation in Brandenburg - die
Säkularisation des Klosters. Die Auflösung des Klosters hatte allerdings
keine religiösen Gründe, sondern war der Geldgier der Hohenzollern
geschuldet. Kurfürst
Joachim II. folgte dabei dem Beispiel anderer Landesfürsten, die sich mit Klostergut sanierten
[9]
Noch um 1500 gab es Streitigkeiten um die Choriner Abtswahl, da es sich
um einen einträglichen Posten handelte. Zucht und Ordnung war hingegen
im Kloster schon länger nicht mehr so gegeben, wie es ursprünglich
vorgesehen war. 1528 musste der Vaterabt von Lehnin einen Mönch nach
Chorin entsenden, um sicherzustellen, dass überhaupt noch den
liturgischen Verpflichtungen nachgegangen wird. Mangelhafte
Spiritualität gingen einher mit wirtschaftlichen Nöten, das Kloster
verkaufte 1536 das Dorf Stolzenhagen. Noch 1536 hatte Joachim II. bei
einem Besuch im Kloster Chorin untersagt, erste Reformationsversuche
fortzusetzen.
Wandmalerei im Fürstensaal
Noch kurz vor der Aufhebung des Klosters 1542 erneuerte Chorin der
Stadt Niederfinow Privilegien.
Der Wasserzoll war seit 1375 verbrieft
und führte noch in späteren Jahrhunderten zu Streitigkeiten.
Durch den
Bau des
Finowkanals
sollten die einst von den Mönchen gewährten Rechte aberkannt werden.
Nach allen Instanzen wurden dem Herren von Hohenfinow, Baron von
Vernezobre am 29.
November 1775 die Zollrechte wieder anerkannt. Noch
1878 musste sich der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche
Arbeiten mit dem Streit um den Brückenzoll beschäftigen und bestätigte,
dass der Staat für das Betätigen der Brücke täglich drei Mark an den
Gutsherren von Hohenfinow zu zahlen hatte. Das Heben und Senken der
Brücke wurde allerdings schon seit 1792 durch die Schiffer selbst
durchgeführt. Erst die Übernahme der Brücke durch den Staat um 1900
beendete den jahrhundertelangen Zollstreit.
Durch die späteren Zweckentfremdungen, den
Dreißigjährigen Krieg
und nachfolgende Abbrucharbeiten gingen große Teile der Kirche und der
Klausurgebäude auf ihrer Südseite verloren.
Dennoch hat sich vom
Kreuzgang und den um ihn gruppierten Gebäuden soviel erhalten, dass man
auch heute noch einen guten Eindruck von der einstmaligen Wirkung des
entsprechend dem „zisterziensischen Idealplans“ errichteten Ensembles
erhalten kann. Bemerkenswert sind vor allem das Pfortenhaus, die
Klosterküche sowie der „Fürstensaal“ am Nordwestende der Klausur. Vom
Kreuzgang haben sich der westliche und große Teile des östlichen Flügel
erhalten. Sämtliche Bauten sind stilistisch "aus einem Guss" und zeigen
die gleiche hochgotische Formensprache, einheitliche
Kreuzrippenwölbungen, reiches Fenstermaßwerk, krabbenbesetzte
Ziergiebel, Schmuckfriese, Blendengliederung etc. wie die Kirche. Der
Südflügel und große Teile des Ostflügels mit dem
Kapitelsaal sind verloren.
Verfall bis zur Romantik
romantische Darstellung der Klosterruine; um 1850
Plan von Lenné zur Umgestaltung des Klosterumfeldes
Nach der Säkularisierung war das ehemalige Kloster von etwa 1550 bis
ins beginnende 19. Jahrhundert dem Verfall preisgegeben. Die Mönche
lebten noch einige Jahre weiter im Kloster, es wurde aber bald Amtssitz
und Domäne. Die Kurfürsten besuchten die Grablege ihrer Vorfahren immer
seltener. Zu unbekannter Zeit wurde die Anlage dann verpachtet und als
Viehstall genutzt.
Der verfallene Backsteinbau am Ufer des Sees erschien
David Gilly 1797 noch lediglich als malerischer Ort und deshalb bedeutsam und erhaltenswert. Knapp 20 Jahre später erkannte
Karl Friedrich Schinkel ergänzend,
dass die Ruine ein herausragendes Baudenkmal und kostbares Zeugnis mittelalterlicher Geschichte ist. Der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm klagte 1821 nach einem Besuch der königlichen Familie in Chorin,
dass die Kirche den Schweinen preisgegeben sei. Erst die bauerhaltenden Maßnahmen im frühen 19. Jahrhundert sicherten den Erhalt Chorins als kulturhistorische Anlage
[10] und ist ab 1884, historisch, belegt.
[11]
Die Erhaltung von mittelalterlichen Bauwerken in dieser Zeit diente
jedoch weniger kulturhistorischen Zwecken als vielmehr dem Zeitgeist,
welcher in Ruinen im Zusammenspiel mit Kunst und Gartenbau eine
Kunstrichtung sah.
Nachdem die Gebäude im frühen 19. Jahrhundert einen traurigen Anblick
boten, und in Preußen – wie überall in Deutschland - im Zeitalter der
Romantik eine Hinwendung zur eigenen Geschichte und deren baulichen
Zeugnissen erfolgte, wurde ab 1817 unter der Leitung von Karl Friedrich
Schinkel mit der Sicherung und teilweisen Rekonstruktion der Ruine
begonnen. Das gärtnerische Umfeld gestaltete
Peter Joseph Lenné. Die heutigen Besucher, die sich zumeist von Süden kommend dem Kloster annähern, können wohl schwerlich nachvollziehen, warum
Fontane in seinem Kapitel in den „Wanderungen“ der Choriner Klosterruine das „Malerische“ absprach. 1997 übernahm das
Amt Britz-Chorin von der Forstverwaltung die Trägerschaft des Klosters Chorin.
Auf dem Klosterfriedhof fanden der Architekt
Max Taut und bedeutende Forstleute wie
Wilhelm Bando,
Max Kienitz,
Alfred Dengler,
Adolf Olberg,
Alexis Scamoni,
Egon Wagenknecht und
Albert Richter ihre letzte Ruhe.
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